Neue EU-Richtlinie für den Schutz vor Geschäftsgeheimnissen:

Kürzlich legte die Europäische Kommission dem Europäischen Parlament den Entwurf der neuen Richtlinie vor und wurde dieser vom Parlament in erster Lesung angenommen. Die Richtlinie zielt insbesondere darauf ab, Wirtschafts- und Industriespionage zu verhindern. Zur Förderung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen sollen – ähnlich den Patent- und Markenrechten – auch Geschäftsgeheimnisse wirksam zivilrechtlich geschützt werden können. Dies soll erreicht werden, indem die derzeit unterschiedlichen Schutzniveaus in den Mitgliedsstaaten in Bezug auf die rechtswidrige Aneignung, Nutzung und Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen angeglichen werden. Insbesondere für den Fall der Verletzung der Regelungen soll ein Mindestmaß an Maßnahmen und Rechtsbehelfen des geschädigten Unternehmens gegen den Geheimnisverräter bereitgestellt werden.

Gerichte sollen die Befugnis zur Anordnung vorläufiger und vorbeugender Maßnahmen bekommen, so etwa für ein vorläufiges Verbot der Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses sowie ein Verbot der Herstellung, Vermarktung oder Nutzung rechtsverletzender Produkte und die Beschlagnahme mutmaßlich rechtsverletzender Produkte. Nach Feststellung des rechtswidrigen Erwerbs, Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses sollen die Gerichte endgültige Anordnungen sowie weitere Abhilfemaßnahmen, wie den Rückruf oder die Vernichtung der rechtsverletzenden Produkte, erlassen können. Im Übrigen sind Schadenersatzpflichten des Rechtsverletzers vorgesehen.

Auf den ersten Blick erscheinen der angestrebte Schutz von Geschäftsgeheimnissen begrüßenswert, soweit es sich um objektiv schützenswertes, für Innovation und Wettbewerb wertvolles Know-how handelt.

Nichtsdestoweniger ist der Richtlinienvorschlag bei verschiedensten Interessensgruppen (etwa Journalisten, Medienvertreter und Gewerkschaften) auf zum Teil harte Kritik gestoßen. Nach Ansicht der Kritiker gefährde die Richtlinie unter anderem die Meinungs- und Pressefreiheit und beeinträchtige auch die Stellung von Beschäftigten in Unternehmen. Sie biete Konzernen ein Instrument, um nicht nur gegen Wirtschaftsspione, sondern auch gegen unliebsame Whistleblower und Enthüllungsjournalisten vorzugehen. Zu dieser kritischen Haltung dürften auch die bekannten Enthüllungsfälle der letzten Jahre (wie etwa WikiLeaks) beigetragen haben. Nun wird befürchtet, die Richtlinie könnte über ihr Ziel hinausschießen und zu einer Beeinträchtigung von Whistleblowing im öffentlichen Interesse führen.

Ob sich diese Bedenken tatsächlich bewahrheiten werden, bleibt abzuwarten.

Die tatsächlichen Auswirkungen hängen zu einem wesentlichen Teil von der Umsetzung der Richtlinie durch die einzelnen Mitgliedsstaaten sowie letztlich auch von der Auslegung durch die zuständigen Gerichte ab.

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